Dienstag, 22. März 2011

Mauretanien: endlich Rallye, endlich was kaputt!

Es sind lauschige 30 Grad, der Sonnenbrand auf dem Handrücken wird zu jedem Zeitpunkt maximal ausgekostet und die Getränke sind kühl. Lebensqualität für ein paar Stunden. Wir befinden uns derzeit auf einem Campingplatz in St. Louis im Senegal. Gestern fand die Ausreise aus Mauretanien statt und letzte Woche des Mittwochs war die Einreise in jenes scheinbar verlassene Land. Fünf Tage also, in denen genug passieren konnte, damit akribisch genau geplante Abläufe und individuelle Schicksale ausreichend beeinflusst werden konnten. Ob zum Positiven oder zum Negativen wird in den kommenden Zeilen näher erläutert.

Begonnen hat, nach dem relativ entpsannten Grenzübergang, der Aufenthalt mit einem Fiasko für eines der Teams. Dem Renault Rapid der "Elbhang Eagles" reißt der Zahnriemen, es lässt sich NIX machen und die Karre muss unter emotionaler Anteilnahme aller anderen Teams zurückgelassen werden. Zum ersten Mal überhaupt bei der Rallye Dresden-Dakar-Banjul! Verdammt!
Asteriodenfeld in der Wüste: absurd! Wir überleben!
Wir halten uns in der ersten Nacht hinter einer Düne auf, ein ordentlicher Wind bläst uns trotzdem den Sand ins Gesicht und wir finden die erste Gelegenheit uns auszumalen, was die kommenden 3 Tage bedeuten werden (Spoiler alert: ,,würden") für unsere sonst verwöhnten Mitteleuropäer-Leiber. Die mauretanische Regierung besteht übrigens auf militärischer Begleitung für Fahrzeug-Konvois, daher dürfen wir uns neben AK-47 und Gendarmerie sicher in den Schlaf wiegen. Sklaverei und Organhandel sind angeblich nicht fern. Seltsames Gefühl.

Würdevolle Beschilderung!
Am nächsten Morgen gehts locker los, eine Fahrt durchs Niemandsland führt uns über die Schienen einer Eisenbahn, die in mit Eisenerz vollbeladenem Zustand als die längste der Welt gilt. Ehrfürchtig und mit Schrittgeschwindigkeit wird rübergetuckert. Aber Straßen nerven uns so langsam: WIR WOLLEN MIESE PISTEN!!! WIR WOLLEN RALLYE!!!! Plötzlich geht's rechts ab von der Straße, es ruckelt lustig in der Kiste und wir lassen erstmal Luft von der Bereifung ab. Alle. Verbessert Fahrbedingungen auf nichtbefestigtem Untergrund. Es geht weiter, wir vergessen aber leider die Jetbox auf dem Dachgepäckträger zu schließen und zu allem Überfluss verstehen wir die warnenden Handbewegungen von unseren Mitfahrern der anderen Teams als erheiternde Gestiken mit dem Zweck einen wüstenadäquaten Erguss von Freude und "Jetzt-geht's-los"-Attitüde zu erzeugen! Blödes Missverständnis, hier helfen nur klärende Worte über Funk.

Zitat BMW 525: "Ich will nackt sein!"


Vermächtnis veratwortungsvollen Fahrens.
Dann endlich reine Wüste, Wartezeiten von bis zu 3 Stunden durch Reparaturen von zerborstenen Benzinleitungen oder ähnlichem Aufwand lassen uns aber schmoren in der Mittagssonne. Bei uns gibt's erstmal keine Probleme! Mit ihrer spärlichen Vegetation und unregelmäßigen Verteilung von Steinen und Sandbänken ist die Savanne aber ein Garant für Probleme. Gefahren wird Tempo 10-100 km/h. Richtig in Worte fassen lässt sich dieses Vergnügen nicht, für's menschliche Ohr lebensfeindliche und die Fingernägel kreuz und quer wachsen lassende Geräusche lassen uns wissen: unser Ölwannenschutz zeigt seine Wirkung! Auch Amateure können was! Die Dämmerung schleicht sich langsam über unsere Schultern und im Antlitz des Mondes durchqueren wir Sandbänke, in der Regel lassen wir ein paar Teams auch dort zurück. Das bedeutet: anhalten, das Auto verlassen und helfen beim Anschieben, Abschleppen und Ausgraben. An diesem ersten richtigen Rallyetag bleiben wir 2 mal im Sand stecken und wie auch für die anderen 525er Touring BMWs vor uns soll sich hier, in der Savanne Mauretaniens, die Geschichte wiederholen. Unser rückwärtiger Stoßfänger fungiert als Sandanker und durch den bodennahen Abschluss reißt dieser an seiner Karosseriebefestigung bei jedem Aufsetzen mehr und mehr ein. Uns ereilt der Funkspruch: ,,Wüstensperling, eure Heckschürze hängt hinterher!" Anhalten und abreißen! Stumpfes Präparieren besorgt den Rest und ZACK! ist das Teil im Transporter versenkt! Wir entschließen uns den Stoßfänger der Savanne zu übergeben. Vielleicht wird ein aufmerksamer Hovercraft-Ranger des Nationalparks in 100.000 Jahren dieses Relikt dem Galaktischen Historischen Museum schenken ;-)

Der nächste Tag ist mit weiterer Rallye-Action nur in reduziertem Maße gespickt. Wir genießen jede Minute mit dem Fuß am Gaspedal. Durch die vielen Komplikationen trennt sich gegen Abend die Gruppe jedoch und die Autos, die bereits aussichtslose Kandidaten für weitere harte Etappen darstellen, bewegen sich auf der Straße Richtung Nouakchott, der Hauptstadt Mauretaniens. Wir aber bleiben dort, wo nichts ist! Trotzdem zerreißt eine Ölwanne und wir campen am Ort des Geschehens. Am Horizont ziehen im 45°-Winkel stehende Regenwände an uns vorbei, sich verzweigende Blitze lassen durch minutenlanges Warten die Entfernung erahnen. Unvergessliche Momente!

All you can tank!
3. Tag in der Savanne/Wüste und wir wollen den Strand erreichen, Gerüchten zufolge eine entspannte Strecke ohne Aufsetzen und Autoverschleiß! Zu früh gefreut! Zwei Rallyeteilnehmer werden in einen Unfall verwickelt, bei der einer von beiden schnellstens diagnostische Maßnahmen benötigt, die nur in einem Krankenhaus geleistet werden können. Also wird im Einvernehmen beschlossen die geplante Route nicht zu befahren und schnellstens Nouakchott anzusteuern. Der anwesende Arzt und sein Patient fahren vor. Hiermit greifen wir vor: dem Betroffenen geht's gut und er wird aufgrund der Versorgungslage in den kommenden Tagen aus Deutschland per Flieger abgeholt. Gott und ADAC sei Dank!

Kein Camping ohne das richtige Styling
Mal kurz die Heckklappe reparieren.
Den Umständen geschuldet haben wir einen zusätzlichen Tag in Nouakchott, also verbringen wir die Zeit mit Erholung von den Strapazen der Wüste, die zwar zeitlich reduziert wurden, aber an persönlicher und körperlicher Beanspruchung nicht minder heftig ausgefallen sind. Gestern, am Montag, erfolgte der Aufbruch aus Mauretanien in Richtung Senegal und das Gefühl Afrika erreicht zu haben beflügelte unsere Seelen auf einmal. Aber dieser Zustand von Zufriedenheit soll erst erkauft werden mit Schweiß, aufgewirbelten Sand und 10 l Kühlerflüssigkeit! Auf der letzten Etappe sanden Sander & Sandholtet ein, in einer Steigung, die eines jeden unbefleckten Individuums Seele für sich beansprucht! Bei gefühlten 40°C Außentemperatur kocht unser Motor bei der Befreiungsaktion dermaßen hoch, dass beim ,,Angucken" des Verschlussventils eine Fontäne heißen Wassers hochschießt. Verbrühungsgefahr DELUXE! Geht aber gut, wir füllen unser gesamtes Trinkwasser ins Kühlungssysten nach und weiter geht's zur Grenze. Hier erreichen uns Eindrücke, die an anderer Stelle behandelt werden. Es ist einfach zuviel, um dem Geschehen gerecht zu werden mit einem einzelnen kurzen Rallyetagebucheintrag.

Bis ganz bald von der Westküste Afrikas!

Jan-Thorben und Tristan

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen